Buchempfehlung: „Aggression – Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist“, Jesper Juul

Ich möchte Ihnen heute ein Buch zu einem Thema vorstellen, dass in unserer Gesellschaft im Moment noch stark tabuisiert ist: die Aggression. Viel zu oft wird viel zu viel Energie investiert um aggressive Gefühle zu unterdrücken anstatt sie zuzulassen, als Indikator für einen Missstand zu nutzen und sie konstruktiv zu verwerten. Jesper Juul widmet sich in seinem Buch diesem gewaltigen Gefühl:

Oft wird Aggression sofort mit ihrer destruktiven Form, als Gewalt und zerstörerische Kraft, assoziiert. Doch hat die konstruktive Form der Aggression damit nichts zu tun. Im Gegenteil: Ohne Aggression wären wir nicht in der Lage Ziele zu verfolgen und zu erreichen, sportliche Leistungen zu erbringen oder persönliche Grenzen zu setzen (S.107,ff.).

Jesper Juul kritisiert die neuromantische Kultur, die Erwachsenen die Bürde auferlegt immer lieb, nett, freundlich und verständnisvoll zu sein – was ja eine menschenunmögliche Aufgabe ist! Vor allem Eltern und Pädagogen sind in ihren Rollen gefangen, sodass sie keine guten Vorbilder für ihre Kinder und Schüler abgeben können. Sie haben sich beschnitten und verboten ihre breite Skala an natürlichen und gesunden menschlichen Emotionen – einschließlich der Aggressivität – auszudrücken und auszuleben (S.33 ff.)!

Selten Probleme mit Aggression – weder mit ihrer eigenen noch mit der ihrer Mitmenschen – haben Personen mit einem gesunden Selbstwertgefühl. Ein solches entwickeln Menschen die in einer Familienatmosphäre aufwachsen in der die ganze breite Skala der Gefühle zum Tragen kommen kann und auch geschätzt wird! Doch diese Art von Familienatmosphäre war bis vor nur einer Generation die absolute Ausnahme, so dass mangelndes Selbstvertrauen sich fast wie eine Volkskrankheit durch alle Länder und Kulturen zieht (S.80)!

Als ein Schlüsselmoment für den Beginn von aggressivem Verhalten sieht der Autor den Punkt, in dem der ruhige Fluss der Interaktion blockiert ist und einer Person in einer bedeutenden Beziehung plötzlich die Erfahrung, für das Gegenüber wertvoll zu sein, abhandenkommt. Dabei kann es sich um einen kleinen (Gegenüber nimmt mich nicht ernst) oder großen Verlust (Betrug und abrupte Beendigung einer Partnerschaft) handeln (S.81ff.).

Veränderungen im aggressiven Verhalten – insbesondere auch im Umgang mit Kindern – stellt sich dann ein, wenn man 5 Schritte ernst nimmt und befolgt:
– Dialog (achtsames Zuhören statt Besserwisserei)
– Interesse (persönliche Äußerungen statt Fragen)
– Neugierde (echtes Interesse statt aushorchen)
– Anerkennung (durch Einfühlsamkeit)
– Persönliches Feedback (S.137ff.)

Insgesamt ein sehr interessantes Buch mit vielen Beispielen und praktischen Tipps vor allem für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen! Sehr empfehlenswert!

Juul, Jesper. (2013). Aggression. Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist. Frankfurt am Main: S.Fischer.
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